Einleitung
Introduction
Texte intégral
1Das folgende Kapitel soll zum einen die ersten, vorläufigen Ergebnisse des archäologischen Teils des Projekts HIGEOMES vorstellen, des Weiteren gleichzeitig auch als begleitende Anleitung für den anvisierten Webservice dienen.
2Eine wesentliche Aufgabe der archäologischen Komponente im Projekt HIGEOMES besteht in der Aufnahme und Kartierung aller bekannten Fundorte, die dem geographischen und dem chronologischen Rahmen des Projekts entsprechen, wie dies im Vorwort bereits umrissen wurde. Das bedeutet kurz gefasst, dass archäologisch bekannte Fundorte des zweiten Jahrtausends v. Chr. in Obermesopotamien anhand der Sekundärliteratur bestimmt und geographisch verortet wurden. Die Vorgabe dabei war, dass der entsprechende Fundort entweder mittels einer Grabung oder eines Surveys der Forschung bekannt und in irgendeiner Form publiziert sein musste. Es sollten insbesondere Daten zum Fundort aufgenommen werden, die neben der Datierung und Lokalisierung auch die Größe, Struktur und Wertigkeit einer Siedlung betreffen. Dadurch lässt sich optimalerweise eine Hierarchisierung der Orte erlangen. Diese wiederum hilft Zentralorte und kleinere Orte zu erkennen, die teilweise in einem Bezug zueinander gestanden haben können. Da sich eine Hierarchisierung der Orte auch in den Texten findet, stellte sich diese Methode für die Identifizierung als hilfreich heraus.
3Allerdings sind die archäologischen Informationen nicht für alle Regionen in gleicher Weise verfügbar. Des Weiteren lassen moderne Verfahren und Berechnungen in der Siedlungsarchäologie vermuten, dass selbst in gut erforschten Regionen wie z.B. dem Habur-Dreieck nur ein gewisser Teil der tatsächlichen Orte entdeckt wurde1. Aufgrund dieser Unwägbarkeiten wurde letztlich damit begonnen, den engen Rahmen der Fundortaufnahme zu weiten und den Anforderungen der Philologie stärker anzupassen, so dass sich nun drei Kategorien von Orten in der Datenbank wiederfinden lassen. Primär sind das die Fundorte im Untersuchungsraum, die archäologisch untersucht wurden und in den Zeitrahmen des zweiten Jahrtausends datieren. Weiterhin wurden Siedlungen aufgenommen, die archäologisch und philologisch eindeutig identifiziert wurden und im untersuchten Textkorpus vorkommen. Diese Städte, wie z.B. Mishrife (also das antike Qatna, HIGEOMES Nr. 728) oder Boğazköy (das antike Hattuša, HIGEOMES Nr. 935) liegen zwar außerhalb des regionalen Fokus, dienen aber als wichtige Ankerpunkte, um z.B. aus Itineraren bekannte Wegenetze zu rekonstruieren und andere bzw. noch nicht identifizierte Orte in ihrer Abhängigkeit von genannten Städten oder deren Machtbereichen zu verorten. Zuletzt wurden schließlich Fundorte bzw. Siedlungen eingetragen, die zwar aufgrund fehlender oder nicht abgeschlossener Untersuchungen bisher nicht in die entsprechenden Perioden datiert werden, allerdings aufgrund ihrer Lokalisierung und anderer Faktoren für Identifizierungen in Frage kommen können. Das sind zum einen Siedlungshügel, an denen eine komplette Überdeckung der relevanten archäologischen Schicht durch jüngere oder rezente Überbauung nicht ausgeschlossen werden kann; oder an denen die Siedlungsschicht erodiert oder anthropogen zerstört sein kann. Als Beispiel kann an dieser Stelle Halebiye (HIGEOMES Nr. 722) genannt werden, wo zwar archäologische Untersuchungen stattfanden, diese aber bisher keine Schichten des 2. Jahrtausends v. Chr. zutage förderten. Dennoch kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner geographischen Lage und u.a. der Homonymie angenommen werden, dass es sich hierbei um das antike Halaba handelt.2 Diese teils willkürlich erscheinende Auswahl verzerrt das Muster der Siedlungsverteilung nur bedingt, da es sich zum einen um eine statistisch sehr geringe Menge an Fundorten handelt und zum anderen Prozeduren im Projekt geschaffen wurden, um die Aussagen bezüglich einer Siedlung zu relativieren. Durch spezielle Faktoren bzw. Bewertungskriterien, z.B. über die Wahrscheinlichkeit einer Datierung eines speziellen Fundortes, entstehen dadurch Gewichtungen, die helfen das Gesamtbild zu kalibrieren. Siedlungsplätze, deren Datierung als nicht gesichert gelten kann, werden dabei mit einem niedrigeren Faktor bewertet als Fundorte, die durch sorgfältige Erkundung untersucht und datiert wurden.
4Da sich die Archäologie neben der reinen Fundort-Aufnahme insbesondere auch die möglichst wirklichkeitsnahe Rekonstruktion der antiken Umwelt, also der ursprünglichen Flussläufe, Verkehrswege und Flora und Fauna, zum Ziel gesetzt hatte, war die Aufnahme gerade möglichst alter landschaftsbezogener Daten wie Karten, Reiserouten und Klimadaten wichtig und ein Nebenprodukt der archäologischen Arbeit.3 Aussagen zur naturräumlichen Umgebung und Lage (Gewässer, Gebirge, Steppe, Ackerland etc.) spielen nicht zuletzt eine wesentliche Rolle für die Bestimmung u.a. des ökonomischen und politischen Charakters eines Ortes. Diese finden wiederum ihr Pendant in Textaussagen zur Daseinsgrundlage der Orte und können ebenfalls zur Identifizierung eines solchen beitragen. In einer eigenen Datenbank wurden dazu topographische Punkte wie Gebirge, Flüsse, Wadis, Furten, Brunnen und Pässe eingetragen, die teils aus bereits vorhandenen digitalen Datenbeständen aber insbesondere aufgrund militärischer Karten und Beschreibungen übernommen und lokalisiert wurden. Die Arbeit in diesem Bereich ist allerdings noch nicht soweit fortgeschritten, als dass sie hier sinnvoll präsentiert werden könnte.
Datengrundlage und Auswahl
5Ursprünglich waren innerhalb des Projekts auch eigene archäologische Feldforschungen in bestimmten Regionen geplant. Diese konnten aufgrund der sich seit 2011 massiv verschlechternden politischen Lage nicht durchgeführt werden, und so beschränkt sich die Arbeit allein auf die Evaluation der vorhandenen und publizierten Daten. Neben herkömmlichen Bibliographien zur Region wie Lehmann (2002), dem TAVO, APUM und „Atlas of the Archaeological Sites in Iraq“ (1976) wurden einzelne Grabungs- und Surveyberichte und insbesondere auch digitale Repositorien (beispielsweise das TAY- und das Pleiades-Projekt4) in die Auswertung mit einbezogen.
6Die Kernregion umschließt die HIGEOMES-Zonen B bis G und N (vgl. Karte 1) und umfasst damit ein Gebiet von ungefähr 180.000 km², entspricht damit also knapp der Größe Syriens. Auf den Irak entfällt flächenanteilig 40 %, auf die Türkei und Syrien jeweils ca. 30 %. Bezüglich der Fundortverteilung liegt dagegen Syrien an erster Stelle mit über 60 % der bisher lokalisierten Fundorte.
Diagramm 1

Prozentualer Flächenanteil nach Staatsgebiet im Hauptuntersuchungsgebiet. (HIGEOMES-Zonen B bis G und N = 100 %)
Diagramm 2

Aktuelle Fundortverteilung in Prozent im gesamten Forschungsraum, aufgeschlüsselt nach Staaten.
7Dies beruht zum einen auf den naturräumlichen Gegebenheiten; so entfällt beispielsweise der Hauptteil der antiken Siedlungsplätze in Syrien auf das fruchtbare Habur-Dreieck. Zum anderen ist der Forschungsstand und die Publikationslage in Syrien am weitesten fortgeschritten, was auf die intensiven, nach modernen Standards durchgeführten archäologischen Aktivitäten in Syrien über die letzten 50 Jahre zurückzuführen ist.5 Im Vergleich zum restlichen HIGEOMES-Gebiet sind fast 70 % der Fläche im syrischen Bereich, also ein Großteil der Zonen D, E und teilweise B und C, mittels Oberflächenbegehungen und/oder Grabungsprojekten erfasst6.
Diagramm 3

Verhältnis der mittels Survey erkundete Fläche zu unbekannten Arealen im syrischen Hauptuntersuchungsraum.
Diagramm 4

In HIGEOMES aufgenommene Surveys und Forschungsprojekte. Aufgeschlüsselt nach Staaten in Prozent.
8Allerdings sind auch hier noch nicht alle Daten zugänglich bzw. konnten in die Auswertung integriert werden. Wie auch in der Türkei und im Irak, so sind hier insbesondere die Uferbereiche der Flussläufe relativ gut dokumentiert. Aufgrund der damals anstehenden hydrologischen Bautätigkeiten insbesondere am oberen syrischen Euphrat wurde der Bereich des Tabqa- (u.a. Freedman (Hrsg.) 1979) und später auch des Tischrin-Staudammes (u.a. del Olmo Lete/Montero Fenollos (Hrsg.) 1999) mittels Rettungsgrabungen gesichert. Durch Surveys u.a. von J. Eidem (Eidem/Pütt 2001), T. McClellan (McClellan/Porter N.N.) und seit 2006 vom „Land of Carchemisch Project“ (Peltenburg 2007) wurde dieser Bereich schließlich bis hin zur türkischen Grenze vollständig archäologisch abgedeckt. Flussabwärts wurde der Euphrat wurde in den 1980ern von K. Kohlmeyer (1984 & 1986) und später durch PAMES7 untersucht. Ab ungefähr der Höhe von Deir ez-Zor wurde der Uferbereich schließlich von verschiedenen Expeditionen ausgehend von der Grabung in Ashara8 (HIGEOMES Nr. 16) und bis zur irakischen Grenze von B. Geyer und J.-Y. Monchambert (Geyer/Monchambert 2003) erkundet.
9Ebenfalls intensiv erforscht wurden auch die beiden wichtigsten Nebenflussläufe des Euphrats, Balih und Habur. Für den Balih ist besonders die Untersuchung von P. Akkermans zu erwähnen, deren Ergebnisse von H. H. Curvers (1990) für das 2. Jahrtausend v. Chr. bearbeitet wurden. An dieser Stelle erscheint es angebracht exemplarisch auf eine Reihe von Problemen in Bezug auf die Auswertung von Oberflächenbegehungen kurz einzugehen. Im Balih-Tal fand bereits eine Vielzahl von Untersuchungen statt, angefangen u.a. mit M. Mallowan in den 1930er Jahren (Mallowan 1946). Aufgrund dieses langen Zeitraumes sind Abweichungen in den Datierungen nicht unerwartet, da sich Chronologien verschieben und neue Erkenntnisse zu neuen Bewertungen führen. Allerdings sind oft auch starke Diskrepanzen selbst in relativ zeitnahen Untersuchungen fest zu stellen. So hat zuletzt R. Kolinski (2014) auf die teils erheblichen Abweichungen der Datierungskriterien bezüglich des Surveys von Akkermans und der ca. 10 Jahre später stattgefundenen Begehung von Wilkinson (Lyon 2000) hingewiesen. Die unterschiedlichen Beobachtungen betreffen aber nicht allein die verschiedenen Datierungen einzelner Fundorte, sondern auch deren angenommene Ausdehnung. Aufgrund des publizierten Datenmaterials und der zur Verfügung stehenden Zeit können diese Unterschiede letztlich nicht für jeden Fundort einzeln entschieden werden, und so muss man den Ausführungen der jeweiligen Autoren folgen. Im Falle der zuletzt genannten Arbeiten von Curvers (1990) und Lyon (2000) erscheint auch eine Bevorzugung aufgrund des Publikationsdatum nicht dienlich, da sie nur 10 Jahre auseinander liegen. Deshalb wurden in diesen beiden Fällen alle betreffenden Siedlungen des 2. Jahrtausends aufgenommen, auch wenn es manchmal widersprüchliche Aussagen gab. Diesem Umstand wurde mittels den oben angesprochenen Bewertungskriterien Rechnung getragen. Es wurden also bei Fundorten, die erkennbar unterschiedlich datiert wurden, der niedrigste Faktor bezüglich der Wahrscheinlichkeit eingetragen. Neben der Datierung ist auch die Lokalisierung von Fundorten insbesondere in diesem Gebiet schwierig, da die verschiedenen Flussarme und Kanalbauten die Landschaft stark veränderten. Dies führte dazu, dass in einigen Fällen die korrekte Lage der Fundorte in Abgleichung mit den bestehenden Karten nur schwer gefunden werden konnte. Eine erwähnenswerte Hilfe bei dieser Problematik waren dabei die Keyhole-Satellitenbilder aus den 1960er und 70er Jahren, die von der University of Arkansas aufbereitet wurden.9
10Der größte Nebenfluss des Euphrats ist der Habur, dessen Unterlauf insbesondere von der TAVO-Geländebegehung (Kühne/Röllig 1977-78 & Kulemann-Ossen 2009) und dessen Einspeisungsgebiet im Osten von D. Meijer (1976) und im Westen von B. Lyonnet (2000) untersucht wurden.
11Nachdem die Flusstäler als Hauptsiedlungsgebiete antiker Lebensbereiche abgedeckt wurden, begannen in den letzten 20 Jahren auch verstärkt Untersuchungen, die sich den „innerländischen“ Regionen widmeten. Hinzuweisen sei hier auf den bereits in den 80er Jahren stattgefundenen Survey im Wadi Ağiğ (Bernbeck 1993) sowie auf die Forschungen von B. Einwag (1993) und M. Danti (2000) im Gebiet zwischen Euphrat und Balih. Die Region vom Balih zum Habur ist uns bereits aus Reiseberichten u.a. von M. von Oppenheim (Moortgat-Correns 1972) bekannt. Systematische Forschungen hier wurden u.a. um den Djebel Abdel Aziz herum unternommen (Hole/Kouchoukos N.N.) und weiter südlich von D. Beyer und P. Quenet (Quenet/Sultan 2014). Allerdings sind die Fundorte des 2. Jahrtausends v. Chr. hier noch nicht zur Gänze bearbeitet. Dies gilt auch für den Wadi Hamar Survey (Hempelmann 2013) um Tall Huera (HIGEOMES Nr. 62), so dass die anfangs gefasste Aussage, dass fast 70 Prozent des syrischen HIGEOMES-Gebietes untersucht wurde, relativiert werden muss.
12Bedingt durch die bereits seit Jahrzehnten anhaltende unruhige politischen Lage, ist die Forschungssituation im Irak weniger befriedigend. Hauptsächlich beschränkte sich die Grabungstätigkeit hier weitgehend auf die Dammprojekte am Euphrat (Haditha-Staudamm, Abdul-Amir 1988) und Tigris (Mosul-Staudamm, Saddam Dam Reporte). Das Landesinnere im Bereich um den Djebel Sindjar wurde u.a. von S. Lloyd (1940) und D. Oates (1968) untersucht. Nördlich davon, an der syrischen Grenze, fand der North Jazira Survey (Wilkinson/Tucker 1995) statt. Einen Einblick in die irakischen Arbeiten in diesem Bereich gaben u.a. M. Altaweel (2006 & 2007) und für das südlich des Sindjar gelegene Areal J. Ibrahim (1986). Die heutigen Forschungen konzentrieren sich auf den politisch stabileren Nordostirak bzw. Kurdistan, wo große Survey-Projekte wie z.B. „Terra di Ninive“ (Morandi Bonacossi 2012-2013) oder der „Erbil Plain Archaeological Survey“ (Ur et al. 2013) begonnen wurden.
13In der Türkei sind ebenfalls vornehmlich die Flussregionen des Euphrat und Tigris gut dokumentiert, die durch wasserbauliche Maßnahmen gefährdet sind oder waren. So wären an dieser Stelle insbesondere die Arbeiten der Middle Eastern Technical University/TAÇDAM10 zu erwähnen.
14Vom Euphrat ausgehend nach Osten in die Harran-Ebene fanden in den letzten Jahren verschiedene Untersuchungen insbesondere von N. Yardimci (2004 & 2007) statt. Allerdings stellt die hier weiter gefasste chronologische Einteilung, die als Angabe für Fundorte des 2. Jahrtausend nicht zwischen der sonst üblichen Unterteilung in mittlere und späte Bronzezeit unterscheidet, eine gewisse Schwierigkeit in der Vergleichbarkeit der Fundortverteilung dar. Besonders bedauerlich ist die bisher eher schlechte Publikationslage für den türkischen Teil des Habur-Dreiecks, da aufgrund der relativ dichten Fundortsituation auf syrischer Seite ein künstliches Ungleichgewicht entsteht. Das Gebiet wurde zwar mehrfach untersucht, so z.B. von H. Erkanal in den 1980er Jahren (Erkanal 1989a), allerdings konnten bisher keine detaillierten Studien von HIGEOMES ausgewertet werden.11
15Abschließend ist zum Forschungsstand im HIGEOMES-Projektraum ein recht ambivalentes Bild der Fundortverteilung bzw. -erfassung zu konstatieren. Einige Regionen wurden relativ intensiv untersucht und die Wahrscheinlichkeit, hier tatsächlich eine relevante Masse an möglichen Kandidaten betreffenden Toponymen gegenüberzustellen, ist sehr hoch. In anderen Regionen haben wir dagegen nur eine ungenaue Ahnung der tatsächlichen Siedlungsmenge des 2. Jahrtausends, so dass hier die Ergebnisse mit gebotener Vorsicht zu behandeln sind.
Datenbestand
16Insgesamt konnten zum jetzigen Zeitpunkt über 50 Surveys ausgewertet und 1119 Fundorte in HIGEOMES eingegeben werden. Von den archäologisch erfassten Fundorten sind ca. 80 % nur aus Oberflächenbegehungen, also überwiegend nur rudimentär bekannt und knapp 20 % durch Ausgrabungen erforscht worden.
Diagramm 5

Archäologisch untersuchte Fundorte in HIGEOMES aufgeschlüsselt nach Erforschungsstand.
Diagramm 6

Prozentuales Verhältnis der datierten Fundorte aufgeschlüsselt nach Mittelbronze- bzw. Spätbronzezeit.
17Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, musste das Verfahren der Fundortaufnahme angepasst werden und gewisse Unwägbarkeiten in Kauf genommen werden. So ist z.B. eine exakte Datierung aufgrund des inkonsistenten und oben bereits angedeuteten Datenmaterials nur bedingt möglich, da verschiedene Forscher unterschiedlichen Konventionen folgen. Allerdings war eine exakte absolut chronologische Einordnung eines Fundortes auch nicht das Hauptziel von HIGEOMES, da die Masse der Orte nur aufgrund von Keramikanalysen datiert ist. Aktuelle Überlegungen zur absoluten Chronologie, wie sie im SCIEM 2000-Projekt (vgl. zuletzt Pruzsinszky 2009) oder von Armstrong und Gasche (2014) behandelt wurden, fanden deswegen in HIGEOMES keine Berücksichtigung. Die Datierung im Projekt basiert allein auf der archäologischen Unterteilung des zweiten Jahrtausends in die Mittel- und Spätbronzezeit, der jeweils ungefähr die historischen Epochen der altbabylonischen, altsyrischen bzw. altassyrischen Zeit und der Mittani-, Kassiten- und mittelassyrischen Perioden entsprechen. HIGEOMES folgt damit weitgehend der im APUM (Anastasio et al. 2004, 16f.) angewandten chronologischen Konvention für das 2. Jahrtausend v. Chr., die die Mittelbronzezeit ca. von 2000 v. Chr. bis ins späte 16. Jahrhundert v. Chr. zusammenfasst und die Spätbronzezeit anschließend bis ins 13./12. Jahrhundert v. Chr. laufen lässt. Um die Datierung zu spezifizieren und den unterschiedlichen Untersuchungsmethoden Rechnung zu tragen, wurde, wie oben beschrieben, neben der Datierung selbst auch eine Wertigkeit ihrer Wahrscheinlichkeit eingeführt. Fundorte, deren Daten mittels Grabung erhoben wurden und somit relativ sichere Rückschlüsse auf die Datierung zulassen, werden mit der Nummer 3 bewertet, während rein aus Surveys erarbeitete und teilweise nur auf wenigen Scherbenfunden aufbauende Datierungen nur mit 2 oder 1 beziffert werden. Die unterste Kategorie (0) steht schließlich für archäologisch „nicht belegt/attestiert“ und trägt damit der Möglichkeit Rechnung, dass eine bislang an einem Fundort noch nicht belegte Periode aufgrund kommender Untersuchungen doch festgestellt werden könnte.
18Die enge Verzahnung von archäologischen Daten und IT zwingt dazu, Informationen so weit wie möglich zu standardisieren, zu vereinfachen und für die IT nutzbar zu machen. Die Herausforderung bei der Entwicklung der Datenbank bestand darin, geisteswissenschaftliche, aus unterschiedlich intensiven Untersuchungen hergeleitete Erkenntnisse der letzten 100 Jahren so einheitlich zu modellieren, dass auf der konsistenten Datenlogik semantische Ontologien aufgebaut werden können, die computergestützte Analysen mit einer belastbaren Aussagekraft ermöglichen und eine Integration in den Textdatenbestand erlauben. Auf der anderen Seite sollte zudem dem Nutzer die Möglichkeit gegeben werden, die aufgenommen Fundorte, ihre Befunde und Aussagen zu Datierung und anderen Faktoren selbst zu überprüfen und weiter zu forschen. Aus diesem Grunde wurden sämtliche Einträge mit einer bibliographischen Referenz versehen. Eine Überprüfung aller angegebenen Behauptungen und Datierungen war im Rahmen dieses Projektes nicht zu leisten. Die Aussagen der jeweiligen Ausgräber bzw. Entdecker und der letzten Bearbeiter wurden daher übernommen.
19Eine weitere bedeutsame Information, die die archäologische Komponente des Projektes beisteuert, ist die geographisch korrekte Lokalisierung eines Fundortes. Mittels Geoinformations-Software werden die Fundorte kartiert und können so später in allgemein zugänglichen Programmen wie Google Earth geladen werden. Informationsgrundlage zur Kartierung bildeten neben der Forschungsliteratur insbesondere bereits bestehende GIS-fähige Quellen wie die „ANE Placemarks for Google Earth“ von O. Pedersen12. Von den über 1100 Fundorten in der Datenbank konnten so ca. 350 verortet werden. Die restlichen mussten auf die herkömmliche Weise mittels Karten und Grabungsskizzen kartiert werden. Da dies, wie bereits erwähnt, für das Balih-Gebiet nicht immer eindeutig möglich war, wurden für die Sicherheit der Lokalisierung ebenfalls zwei Kategorien eingeführt. Wenn ein Fundort eindeutig auf Satellitenbildern und Karten erkennbar war, dann wird er als „sicher“ lokalisiert geführt. Insbesondere bei kleineren Fundorten, die nur aus Surveys bekannt waren, konnte zumeist nur eine ungefähre Umgebung angegeben werden. Der Radius dieser Umgebung beträgt damit je nach Lage zumeist weniger als ca. 500 Meter. Für die Berechnung der Größe, wenn sie nicht gleich in Hektar angegeben war, wurde die Berechnung eines Ovals als Grundlage genommen. Die tatsächliche Ausdehnung eines Fundortes zu einer bestimmten Epoche ist sehr schwer zu bestimmen und auch sorgfältige und moderne Surveymethoden lassen immer eine Unsicherheit zurück. Aufgrund der relativ großzügigen Größenklassen,13 die im Projekt eingeführt wurden, verschwimmen diese Unwägbarkeiten allerdings weitgehend.
20Ein bereits im Vorwort angesprochenes Problem der Schreibweise insbesondere arabischer Namen sei hier nochmals kurz erläutert. Da hauptsächlich eine einfache Handhabung für den Nutzer und die Lesefähigkeit durch die genutzte Software im Vordergrund stand, wurde Wert darauf gelegt, möglichst wenige Sonderzeichen zu verwenden. Der Einfachheit halber konnte dabei in vielen Fällen der oben beschriebenen Liste von O. Pedersen gefolgt werden, in der meist eine anglisierte Schreibung benutzt wird14. Weniger prominente Fundorte, die oft nur aus einer einzigen Publikation bzw. einem Surveybericht bekannt sind, folgen der Schreibung in dem jeweiligen Bericht. Bei häufiger wiederkehrenden Namenselementen wie z.B. „Ahmar“ wurde versucht, diese zu vereinheitlichen. Soweit wissenschaftliche Umschriften vorlagen (Transliteration nach den Vorgaben der „Deutschen Morgenländischen Gesellschaft“), wurden diese als alternative Namen aufgenommen.
21Da das gesamte Projekt primär auf die Möglichkeiten moderner digitaler Datenbanken ausgerichtet ist, kann in diesem vorliegenden Teil aufgrund der Übersichtlichkeit und des Platzes sowie vor allem aufgrund der Beschränktheit von Printmedien nur ein kleiner Teil der gesammelten Daten vorgelegt werden.
Ortsverzeichnis
22Im folgenden Teil finden sich die Fundorte numerisch aufgelistet.15 In diesem ersten MTT-Band werden allerdings nur die Siedlungen und Fundstellen vorgestellt, die sich innerhalb der Projekt-Grenzen bzw. HIGEOMES-Zonen B, C, D, E, F, G und N befinden. Insgesamt sind nachfolgend 1050 Orte der insgesamt 1119 Einträge der Datenbank hier verzeichnet. Neben der Datierung und alternativen Schreibweisen des Namens findet sich, soweit vorhanden, der antike Toponym, sofern der Fundort mit einem altbabylonischen (aB) bzw. mittelassyrischen (mAss) Ortsnamen (vgl. MTT I/1 und 2) verknüpft werden konnte. Die Koordinaten sind in Dezimalgrad (WGS 84) angegeben und der folgende Eintrag zur „Lokalisierung“ bezieht sich auf eben diese Koordinaten, wie oben bereits beschrieben. Als letzte Information ist die wichtigste Literatur, die zur Erstellung des Datensatz genutzt wurde und keine vollständige Bibliographie darstellen soll, verzeichnet.
Notes de bas de page
1 So konnten Menze und Ur (2012) mittels automatisierter Verfahren, basierend auf Satellitenbildern, allein für das Habur-Dreieck über 14.000 potentielle Fundorte lokalisieren.
2 vgl. dazu den Eintrag „Halaba“ im Teil „Toponyme der altbabylonischen Texte“.
3 Ein eigener Schwerpunkt der Umweltforschung wäre wünschenswert gewesen, war aber bislang nicht zu leisten. Wir versuchen dieses Manko durch die Zusammenarbeit mit Katleen Deckers im Rahmen von TEXTELSEM zumindest teilweise zu beheben.
4 http://www.tayproject.org; http://pleiades.stoa.org (abgerufen Juli 2015)
5 für über einen Überblick zu den Arbeiten in Syrien und der Türkei vgl. auch Wossink 2009, 65 ff.
6 vgl. dazu Karte 2, auf der die bisher in HIGEOMES behandelten Surveys und Grabungsprojekte visualisiert wurden und in Anhang 2 aufgeschlüsselt ist. Im Text wurden nur die flächenmäßig bedeuteten Untersuchungen berücksichtigt.
7 „Proyecto Arqueológico Medio Éufrates Sirio“ (Montero Fenollos 2015)
8 Simpson 1983
9 „CORONA Atlas of the Middle East“ (http://corona.cast.uark.edu/index.html abgerufen Juli 2015)
10 Tuna et al. (Hrsg.) 2004 und 2011
11 Ein für 2013 geplantes Survey-Projekt dieser Region unter der Leitung von E. Ay und A. Pruss scheint leider nicht umgesetzt worden zu sein (http://www.iaw.unibe.ch/forschung/abt_va/upper_khabur_survey_tuerkei/index_ger.html abgerufen Juli 2015)
12 http://www.lingfil.uu.se/research/assyriology/earth/ abgerufen Juni 2015
13 Kategorie 1 = 0 - 1 ha; 2 = 1,1 - 5 ha; 3 = 5,1 - 20 ha und Kategorie 4 = größer als 20 ha
14 Die korrekte Schreibung moderner Namen, stellt zwar, verglichen mit den Schwierigkeiten einer korrekten Datierung, ein geringes Problem dar, dennoch wäre es wünschenswert dieses endlich zu lösen. Da insbesondere die meisten digitalen Datenbanken in englischer Sprache arbeiten, wäre hier eine mögliche Konvention gefunden. Selbst das CDLI verweist auf diesen Umstand und folgt der Schreibweise von O. Pedersen (http://cdli.ox.ac.uk/wiki/doku.php?id=site_descriptions; abgerufen Juli 2015).
15 Für eine alphabetische Liste, unterteilt nach den HIGEOMES-Zonen, siehe dazu Anhang a & b
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